Inklusive Kunst- und Kulturarbeit

Ein Überblick
Autor*innen: Noemi Heister, Helmuth Pflantzer

Was bedeutet Inklusion?

Inklusion heißt ‘Einbezug‘, ‘Einschluss‘ und ‘Dazugehören‘. Inklusion möchte die Gesellschaft verändern. Alle Menschen sind verschieden. Trotzdem haben alle Menschen die gleichen Rechte und Pflichten. Niemand darf ausgeschlossen werden, denn Verschiedensein ist normal. Inklusion im weiteren Sinne bezieht sich auf alle Menschen. Alle Menschen können überall mitmachen, dabei sein, sich einbringen und Sachen gemeinsam verändern. Dafür bekommt jeder Mensch die Unterstützung, die er braucht.

Um Mitmachen zu können, braucht Inklusion auch Barrierefreiheit. Barrierefreiheit heißt, dass es keine Hindernisse gibt. Bei Inklusion denkt man manchmal nur an Menschen mit Behinderung. Dann spricht man von Inklusion im engeren Sinne.

Definition nach Gudrun Wansing

Bei Inklusion „...handelt [es] sich um ein universell gültiges menschenrechtliches Prinzip mit dem Ziel, allen Menschen auf der Basis gleicher Rechte ein selbstbestimmtes Leben und die Teilhabe an allen Aspekten des gesellschaftlichen Lebens zu ermöglichen.“

Gudrun Wansing (2015): Was bedeutet Inklusion? Annäherungen an einen vielschichtigen Begriff. In: Theresia Degener und Elke Diehl (Hg.): Handbuch Behindertenrechtskonvention. Teilhabe als Menschenrecht – Inklusion als gesellschaftliche Aufgabe. Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung 1506. Frankfurt/Main: Zarbook Verlagshaus: S. 53 (letzter Zugriff am 11.08.2023).

Inklusion beginnt im Kopf

Häufig hört man den Ausspruch: Inklusion beginnt im Kopf. Inklusion erfordert, dass man sich zu ihr bekennt. Eine Kultureinrichtung wird inklusiv, wenn sie Inklusion als Wert anerkennt und fest verankert. Im Sinne einer Lernenden Organisation betreibt sie eine inklusive Organisationsentwicklung.

Feste Ansprechpartner*innen oder ein Inklusions-Team können den Entwicklungsprozess begleiten und unterstützen. Sonst besteht die Gefahr, dass Inklusion zu einem randständigen Projekt mit begrenzter Laufzeit wird.

Tanzperformance eines inklusiven Ensembles vor hellem Hintergrund. Unter den fünf Darstellenden sind Frauen und Männer, Persons of Color und Weiße, eine Person sitzt im Rollstuhl.
Bild: San Francisco Chronicle | Hearst Newspaper | Getty Images
Kultur für alle – Kultur von allen – Kultur durch alle

Inklusion ist wichtig für die Teilhabe von Menschen. Damit Teilhabe möglich wird, braucht es inklusive Strukturen, Kulturen und Praktiken. Teilhabe wird so zum Gradmesser von Inklusion. Jeder Mensch hat das Recht, Kunst und Kultur zu erleben. Oder selbst zu machen. Inklusive Kulturarbeit bedeutet ‘Kultur für alle‘ und ‘Kultur von allen‘. Inklusive Kulturarbeit braucht aber auch ‘Kultur durch alle‘.

Was kann inklusive Kulturarbeit sein?

Jeder Mensch hat das Recht, Kunst und Kultur zu erleben. Oder selbst zu machen.

Was genau kann das heißen?

Inklusive Kulturarbeit bedeutet nicht, jedem Gast das gleiche Kulturerlebnis zu ermöglichen. Ein Anspruch einer inklusiven Kulturarbeit kann aber sein, einen Raum zu schaffen, in dem alle Gäste für sie spannende, informative und anregende Erfahrungen machen. Eine gute Grundlage dafür schafft man, indem man seine Kultureinrichtung und sein Programm nach drei Grundsätzen aufstellt:

  • 1. Offen für alle sein
    Angebote, die für Fußgänger*innen zugänglich sind, sollten auch für Menschen, die einen Rollstuhl oder Rollator zur Fortbewegung nutzen, ohne Hilfe erreichbar sein.
     
  • 2. Das Zwei-Sinne-Prinzip anwenden
    Informationen und Angebote sollen durch mindestens zwei Sinne (sehen, hören, fühlen) wahrnehmbar sein.
     
  • 3. Weniger ist mehr
    Informationen sollen kurz, einfach und verständlich formuliert und vermittelt werden.
Ein junger Mann in einem elektrischen Rollstuhl sieht sich sepiafarbene, großformatige Gemälde in einer Galerie an.
Bild: Danny Gys | Reporters Reporters | GYS PUBLICATION
Frau mit grauem Pulli, die ihre Augen mit einem schwarzen Buch bedeckt
Foto: Valerie Lendel

Inklusion und Kulturelle Teilhabe: Ein Beispiel

Ein Theater, das die Kulturelle Teilhabe von Menschen mit Hörbehinderung ermöglichen will, könnte sich Expert*innen in eigener Sache ins Haus holen. Gemeinsam können mit den Expert*innen in eigener Sache Barrieren im Programm identifiziert werden. Zusammen kann man überlegen, wie diese abgebaut werden können. Durch Ergänzungen wie Verdolmetschung oder Übertitelung kann so ein Zugang für Kulturelle Teilhabe geschaffen werden. Im Idealfall entstehen darüber hinaus Angebote, die von Anfang an in Laut- und Gebärdensprache geplant sind.

Design für Alle

In der Kulturproduktion werden damit bereits von Anfang an Barrierefreiheit und künstlerischer Anspruch vereint. So entsteht dann kein Sonderweg. Barrierefreiheit wird nicht nachträglich eingebaut oder hinzugefügt (Stichwort: Aesthetics of Access). Eine Bedingung dabei ist, dass Künstler*innen mit Behinderung mit ihrem Expert*innenwissen beteiligt werden. Im Sinne des Designs für Alle kann so ein inklusives Angebot entstehen.

Warum Inklusion in der Kulturarbeit voranbringen?

Kultureinrichtungen sind dazu verpflichtet, Inklusion umzusetzen. Das sagen verschiedene Gesetze wie das Behindertengleichstellungsgesetz oder die UN-Behindertenrechtskonvention. Kultur ist ein wichtiger Lebensbereich. Doch gerade Menschen mit Behinderung wird die Teilhabe an Kunst und Kultur oft erschwert. Neben der gesetzlichen Verpflichtung gibt es zahlreiche gute Gründe, warum Kultureinrichtungen inklusiv und barrierefrei arbeiten sollten:

Einige gute Gründe

Mit einem gemeinsamen Bewusstsein lässt sich etwas bewegen!

Ein Plädoyer dafür, sich auf den Weg zu machen

Auch wenn Kultureinrichtungen vor zahlreichen Herausforderungen stehen – Inklusion lohnt sich! Es geht bei der Inklusion nicht darum, dass alle Menschen überall immer dabei sein müssen und alles gemeinsam machen. Es geht aber um Möglichkeiten – Möglichkeiten der Kulturellen Teilhabe, aus denen Menschen mit Behinderung selbstbestimmt auswählen können.

Um Inklusion und Möglichkeiten Kultureller Teilhabe voranzutreiben, braucht es Mut, Durchhaltevermögen und eine positive Fehlerkultur. Im inklusiven Prozess werden Fehler passieren. Niemand macht von Anfang an alles richtig. Das ist nicht schlimm, solange man daraus lernt und daran arbeitet. Inklusion braucht kreative und mutige Ideen.

Oft stehen der inklusiven Entwicklung Barrieren entgegen. Häufig sind das auch Barrieren in den Köpfen: Schwierigkeiten, sich vorzustellen, Dinge einmal anders zu gestalten, anders zu denken, anders umzusetzen. Wir wissen, man wird nicht von heute auf morgen inklusiv! Aber wir möchten ermutigen, Barrieren bewusst aufzuspüren, mit von Barrieren betroffenen Menschen in den Dialog zu treten und Netzwerke zu spinnen.

Die Autor*innen

Portrait von Noemi Heister, Sonderpädagogin
Noemi Heister
Noemi Heister, Sonderpädagogin, leitet seit 2022 die Qualifizierung am Annelie-Wellensiek-Zentrum für Inklusive Bildung
Portrait von Helmuth Pflantzer, Bildungsfachkraft
Helmuth Pflantzer
Helmuth Pflantzer, Bildungsfachkraft, ist seit 2020 am Annelie-Wellensiek-Zentrum für Inklusive Bildung tätig

Podcasts

Inklusion als Geben und Nehmen, als Teilgabe und Teilhabe

Inklusion in der Schule, am Arbeitsplatz... überall. Aber was bedeutet eigentlich Inklusion? Im besten Sinne ist es ein Geben und Nehmen, also Teilgabe und Teilhabe.

 

In dieser Folge des BR2-Podcasts „Die Neue Norm“ mit Raul Krauthausen dreht sich alles um den Begriff und warum nicht überall Inklusion drinsteckt, wo Inklusion draufsteht.

»kunstundquer«: Wege zu einer inklusiven Kultur

Dass Menschen mit Behinderung genauso am kulturellen Leben teilnehmen können wie alle anderen, sollte selbstverständlich sein, ist es aber noch lange nicht. Dafür, dass sich das ändert, setzt sich Luk Bornhak, ein junger »Inkluencer« aus Stuttgart, leidenschaftlich ein. Außerdem zu Gast bei Ingmar Volkmann ist Grete Pagan, die als Intendantin des Jungen Ensembles Stuttgart das Theater allen zugänglich machen möchte.

 

»kunstundquer« ist der Podcast der KulturRegion Stuttgart.

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