Autorin: Katrin Schwarz
Audience Development bedeutet Besucherorientierung und Publikumsentwicklung. Es bezeichnet heute einen strategischen Öffnungsprozess von Kultureinrichtungen in Hinblick auf ihr bestehendes Publikum und auf Nichtbesuchende. Es strebt eine dauerhafte Beziehungsarbeit mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen an und eröffnet einen Raum für Kulturelle Bildung.
Ziel von Audience Development ist es, vielen Menschen unserer heterogenen Gesellschaft kulturelle Teilhabe zu ermöglichen. Die grundlegende Denkrichtung führt dabei weg vom eigenen, an ein Publikum zu vermittelnden Kulturangebot, und hin zu der Frage, wie Kultur mit möglichst vielen Akteur*innen gemeinsam gestaltet werden kann.
Der Begriff Audience Development bezeichnet eine Strategie zur Öffnung einer Kultureinrichtung im Sinne ihres Publikums. Ziel ist es, sowohl Besuchende und (noch) Nicht-Besuchende als auch die eigene Institution und deren Umfeld in den Blick zu nehmen. Dabei werden neben dem Publikum auch Programm, Personal und Partnerschaften zukunftsorientiert in Beziehung gesetzt und nachhaltig entwickelt.
Strategisches Audience Development nimmt die Kultureinrichtung selbst zum Ausgangspunkt. Es forciert reflexive Prozesse, bei denen eigene Sichtweisen und Haltungen mit aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen (Demographischer Wandel, gesellschaftliche Vielfalt, Kulturelle Teilhabe, Inklusion/Barrierefreiheit, Kulturelle Bildung) in Beziehung gesetzt werden. Audience Development ist kein lineares Konzept mit vorgezeichnetem Weg, sondern ein langfristiger Entwicklungsprozess mit unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten. Erst wenn der Blick nach innen und nach außen gerichtet wird, können nachhaltige Veränderungsprozesse erfolgen.
Audience Development bezeichnet heute einen strategischen Öffnungsprozess von Kultureinrichtungen in Hinblick auf ihr bestehendes Publikum und auf Nichtbesuchende.
Audience Development war im deutschen Kulturbetrieb seit den 1990er Jahren zunächst Aufgabe von Öffentlichkeitsarbeits- und Marketingabteilungen. Es zielte auf die Steigerung der Publikumszahlen ab, etwa durch Aufmerksamkeitsstrategien (z.B. gezielte Werbemaßnahmen), Verbundenheitsstrategien (z.B. Freundeskreise, Abonnements), Eventstrategien (z.B. Museumsnächte) und publikumsorientierte Serviceleistungen (z.B. Flyerversand, Email-Newsletter).
Ende der 1990er Jahre zeigten Studien, dass große Bevölkerungsteile klassische Kulturangebote kaum nutzten. Audience Development nahm in der Folge verstärkt nicht erreichte Gesellschaftsgruppen in den Blick und wandelte sich vom Kulturmarketing zur Kulturvermittlung. Ein neues zielgruppenorientiertes Denken rückte die Frage in den Mittelpunkt, welche Inhalte für wen interessant und relevant sein könnten. Kultureinrichtungen wollten nun mehr über ihr Publikum wissen. Die Befragung von Besuchenden lieferte wichtige Anhaltspunkte zu Publikumsinteressen sowie zu besuchsverhindernden Barrieren.
Audience Development wurde in Kooperation mit Hochschulen und Universitäten schließlich wissenschaftlich begleitet und damit systematisch erforscht. Insbesondere die Arbeit von Prof. Dr. Birgit Mandel, Universität Hildesheim, war wegweisend. Dies führt bis heute zu einer stetigen Weiterentwicklung des Begriffsverständnisses sowie zu immer neuen praxisbezogenen Konzepten. Inzwischen fordert die Kulturpolitik der Bundesländer von Kultureinrichtungen verstärkt Teilhabegerechtigkeit. Audience Development gewinnt aktuell als ganzheitlicher Ansatz der Organisationsentwicklung immer mehr an Relevanz.
Die Grundlage der Reflexion bilden vier Ansatzpunkte, die sogenannten „vier P“: Publikum, Programm, Personal und Partnerschaften. Sie werden zunächst einzeln betrachtet und schließlich dauerhaft miteinander in Beziehung gesetzt.
Wir alle lernen durch neue Erfahrungen ständig dazu.
Gefundene Antworten auf diese Leitfragen bieten noch keine Lösungen, aber sie liefern Anhaltspunkte für notwendige Veränderungen. Mit welchen praktischen Ansätzen kann Diversität und Teilhabe nun gefördert werden?
Hier sind drei Konzepte zu nennen: Partizipation, Outreach und Community Building. Bei allen dreien wird Kultur als etwas gemeinsam mit anderen zu Erschaffendes begriffen.
In welche Richtung sich eine Kultureinrichtung im Rahmen von Audience Development entwickelt, welches der „vier P“ zuerst bearbeitet und welche beziehungsfördernde Maßnahme ausprobiert wird, ist höchst individuell. Wichtig ist, dass ein strategischer Öffnungsprozess langfristig und dauerhaft alle „vier P“ mitdenkt.
Aus diesem Grund kann Audience Development auch nicht als Aufgabe einzelner Abteilungen angesehen werden. Vielmehr sollte es von der Leitungsebene aus angestoßen und als Querschnittsaufgabe von vielen Mitarbeitenden mitgetragen werden.
Wird Audience Development als gemeinschaftliche Aufgabe begriffen, stellt sich die Frage nach Arbeitsbedingungen, die eine Neuausrichtung begünstigen. Das stetige Abarbeiten des immer Gleichen, womöglich unter Zeitdruck, lässt keinen Raum für strategische Gedanken, kreative Ideen oder innovative Formate. Um Neues auszuprobieren, braucht es Freiräume. Hier ist der Begriff Lernende Organisation hilfreich. Er stammt aus der freien Wirtschaft und zielt auf ein erfolgsorientiertes Marktbestehen ab, das Innovationsbereitschaft, höchste Flexibilität und schnelle Anpassungsmöglichkeiten verlangt. Auf den Kulturbetrieb lassen sich Grundideen der Lernenden Organisation übertagen: Zentral ist, die eigene Arbeit als Lernprozess zu begreifen, denn wir alle lernen durch neue Erfahrungen ständig dazu.
Des Weiteren bedarf es einer Lernprozesse fördernden Arbeitskultur. Hierzu gehören ein fehlerfreundliches Arbeitsklima, Vertrauen in die Fähigkeiten der einzelnen Mitarbeitenden sowie die Ressource Zeit für unbeschwertes Ausprobieren. Das Selbstverständnis der Lernenden Organisation unterstützt Audience Development-Prozesse, denn es ermuntert Mitarbeitende, Kultur als experimentellen Erfahrungsraum zu denken, unbefangen Kooperationen und Partnerschaften einzugehen, sich projektbezogen an unbekannte Formate heranzutrauen – und dabei auch mal zu scheitern.
Einige Anregungen in Videoform, wie man sich dem Thema Audience Development nähern kann:
Weiterführende Informationen zum Thema Audience Development finden sich an vielen Orten im Internet, darunter hier:
Studien des Deutschen Kulturrats e.V.
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Institut für Kulturelle Teilhabeforschung Berlin (IKTf)
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KULO: Kunst- und Kultureinrichtungen als Lernende Organisationen (Online-Kursangebot)
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Modellprojekt "UTOPOLIS. Soziokultur im Quartier"
Zur Webseite
Allmanritter, Vera (2017): Audience Development in der Migrationsgesellschaft. Neue Strategien für Kulturinstitutionen, Bielefeld (transcript).
Mandel, Birgit (2013): Interkulturelles Audience Development. Zukunftsstrategien für öffentlich geförderte Kultureinrichtungen, Bielefeld (transcript).
Renz, Thomas (2016): Nicht-Besucherforschung: die Förderung kultureller Teilhabe durch Audience Development, Bielefeld (transcript).
Tröndle, Martin (2019): Nicht-Besucher-Forschung. Audience Development für Kultureinrichtungen. Wiesbaden (Springer).
Einige Personen, die als Expert*innen für verschiedene Aspekte von Audience Development gelten können:
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