Digitalität

Autor: Christian Gries

Was bedeutet Digitalität?

In einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft stellen digitale Angebote von Kultureinrichtungen einen wesentlichen Faktor kultureller Teilhabe dar. Ob wir eine Medienstation in einem Museum bespielen, einen Programmierworkshop in der Bibliothek besuchen, zuhause den Live-Stream aus einer Oper verfolgen oder uns über eine Videoserie in deutscher Gebärdensprache die Inhalte einer Ausstellung erklären lassen – die digitalen Medien vor Ort und im Netz öffnen, unabhängig von Raum und Zeit, neue Formen des Zugangs und des Miteinanders.

Bildung für alle...

Im Idealfall sind diese Angebote auf ausgewählte Zielgruppen zugeschnitten und in ein ganzheitliches Vermittlungskonzept eingebettet. Idealerweise schaffen sie keine neuen (z.B. technischen) Hürden und sind für alle Generationen und Mediennutzertypen gleichermaßen zugänglich. Wünschenswert wären außerdem Angebote, welche aus einer grundsätzlichen und selbstverständlichen Haltung einer Kultureinrichtung resultieren, die analoge und digitale Angebote in einem kreativen bzw. konstruktiven Miteinander entwirft.

...digital zugänglich

Die digitale Transformation der Kultureinrichtungen trägt wesentlich dazu bei, Bildung für alle zugänglich zu machen. Sie öffnet Wissen für einen kreativen Umgang, vernetzt die eigenen Angebote und Ressourcen mit Menschen (und Maschinen), rückt sie in die unmittelbare Wahrnehmung und den Zugriff eines diversen Publikums. Sie entwickelt neue Quellen oder Werkzeuge und gestaltet digitale Räume, die womöglich längst zur Lebenswirklichkeit eines digital affinen bzw. aktiven Publikums gehören. Digitale Technologien erschließen neue didaktische Mittel, multiplizieren die Zugänglichkeit kultureller Angebote, öffnen Verbreitungswege und vernetzen Informationen mit internationalen Wissensarchitekturen.

Digitalen Medien öffnen neue Formen des Zugangs und des Miteinanders, unabhängig von Raum und Zeit.

Kulturelle Teilhabe als Ermöglichungstaktik und Öffnungsstrategie

Vor diesem Hintergrund ist kulturelle Teilhabe im Digitalen eine diversitätsorientierte Ermöglichungstaktik und Öffnungsstrategie. Sie befördert und inspiriert den Zugang zu Kunst und Kultur, hinterfragt aber auch Haltung („Mindset“), Leistungsfähigkeit (Ressourcen, Finanzmittel, Infrastruktur) und Medienkompetenz („Digital Literacy“) der beteiligten Organisationen und eingebundenen Akteure. Sie reflektiert die grundsätzliche Handlungsfähigkeit der Kultureinrichtungen und spiegelt die vielen Voraussetzungen, mit denen Menschen aus unterschiedlichsten sozialen, ökonomischen und kulturellen Milieus als Gestalter und Nutzer der Digitalisierung begegnen.

Dabei wird der Gesamtprozess zunehmend nicht nur von den Angeboten der Kultureinrichtungen bestimmt, sondern immer deutlicher auch von den Rezipient*innen geprägt. Die Kenntnis der digitalen Bedarfe und Möglichkeiten des Publikums ist eine Grundvoraussetzung erfolgreicher Angebote. Zudem lassen interaktive Formate und partizipative Konzepte die gewohnte Trennung zwischen Sender*in und Empfänger*in bzw. zwischen Produzierenden und Konsumierenden verschwimmen.

Digitalisierung und Digitalität

Im Umgang mit den digitalen Realitäten unserer Gesellschaft tauchen immer wieder Begriffe auf, die hilfreich erklärt werden können:

Ein schwarzer Raum mit einer Lichterkette, die von der Decke hängt
Bild: Fabio Tura
Perspektivblick in einen grell erleuchteten Gang, am Ende eine Person
Bild: Mahdis Mousavi

Digitale Teilhabe bedeutet, dass digital zur Verfügung gestellte Inhalte für alle Menschen zugänglich sind.

Facetten der Zugänglichkeit

Im Idealfall werden die Facetten der Zugänglichkeit nicht getrennt in analogen und/oder digitalen Dimensionen entworfen, sondern als Verbindung des Besten aus beiden Welten hybrid umgesetzt. Digitale Teilhabe bedeutet, dass digital zur Verfügung gestellte Inhalte für alle Menschen zugänglich sind. Jede Person mit und ohne Beeinträchtigung hat die Chance, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu beteiligen. Digitale Teilhabe bedeutet daher auch Chancengleicheit, Barrierearmut und Verständlichkeit. Gleichzeitig müssen aber auch Fragen des Datenschutzes und der IT-Sicherheit berücksichtigt werden, um eine ethisch verantwortliche und gerechte digitale Kultur zu schaffen. Digitale Teilhabe bedeutet auch Reflexivität: nicht immer ist der digitale Weg der beste oder einzig sinnvolle und legitime. Zuweilen bedeutet digitale Kompetenz, auch genau zu wissen, wo analoge Verfahren zielführender eingesetzt werden können.

Wie können Kultureinrichtungen die eigene Digitalität in der Kulturellen Teilhabe befördern?

Um den eigenen Weg in die Digitalität zu finden oder das vorhandene Angebot nachzuschärfen, können einige Fragestellungen hilfreich sein:

  • „Was wollen wir im Netz erreichen und was können wir leisten?"
  • „An welchen Kriterien machen wir den Erfolg eines digitalen Produktes fest?“
  • „Wer ist unser digitales Publikum?"
  • „Was wissen wir schon über unsere Nutzer*innen?
  • „Welche digitalen Bedarfe, Erwartungen und Gewohnheiten hat unser digitales Publikum?“
  • „Was brauchen wir, und was müssen wir wissen und können, um unsere eigene Digitalität zu entwickeln?“

Gesellschaftliche Teilhabe bedeutet heute auch digitale Teilhabe. Für alle. Darauf haben wir alle ein Recht.

Aufgaben für Gegenwart und Zukunft

Unsere Kultureinrichtungen müssen sich noch viel konsequenter den digitalen Herausforderungen stellen. Es geht um eine echte Verantwortung auch für den eigenen digitalen Rollout. Wir brauchen nachhaltige bzw. langfristige Konzepte und Lösungen. Diese müssen in den Kultureinrichtungen von kompetenten Mitarbeiter*innen in echter Sicht auf die Nutzer*innen entwickelt werden.

Dafür braucht es Ressourcen, Förderungen und Programme. Die verantwortlichen Akteur*innen in den Bildungseinrichtungen bzw. den Trägern sollten die Chancen der Digitalisierung, die in der Coronazeit eine eher unfreiwillige Ausformung gefunden haben, nutzen und auf ihnen aufbauen. Digitalisierung muss in den Projekten von Anfang an mitgeplant werden. Jede Einrichtung sollte eindeutige Kriterien definieren, an denen der Erfolg eines digitalen Angebots evaluiert werden kann.

Der Autor

Portrait von Dr. Christian Gries
Bild: Christian Gries
Dr. Christian Gries
Dr. Christian Gries, Kunsthistoriker, Medienentwickler & Leiter der Abteilung „Digitale Museumspraxis & IT“ am Landesmuseum Württemberg

Videos

Informationen & Ressourcen

Online-Ressourcen

D21-Digital-Index 2021/2022 - das jährliche Lagebild zur Digitalen Gesellschaft
zum Index

"Mediennutzertypologie" von ARD und ZDF
zur Webseite

Plattform "Digitale Teilhabe und inklusive Bildung" der Aktion Mensch
zur Plattform

Studie zur digitalen Teilhabe 2022 der Initiative „Digital für alle“
zur Studie

Digitalisierungsstrategie der Landesregierung Baden-Württemberg
PDF zum Download

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