Im Gespräch

Offene Fragen

Ein „Diversity Audit“ für den Kulturbereich – was ist das eigentlich? Woher kommt die Idee, und wie wird es entwickelt? Warum braucht es ein Diversity Audit für den Kultursektor, und wer kann davon profitieren?

Dr. Ebru Tepecik (ZfKT) und Bettina Jorzik (Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft) erklären im Gespräch, worum es geht.

Mehrfarbige abstrakte Wandkunst aus Farbwerten

Bild: John Schaidler | Unsplash

Im Gespräch

Ein „Diversity Audit“ für den Kunst- und Kulturbereich gibt es bisher bundesweit noch gar nicht. Ebru Tepecik, woher stammt die Idee dazu?

Dr. Ebru Tepecik:

Tja, das war ich, die uns das eingebrockt hat! Ich habe im April 2023 beim ZfKT angefangen und musste mich im Kultursektor erstmal etwas einarbeiten. Die Idee für ein solches Audit ist mir aber ziemlich schnell gekommen. Das liegt daran, dass ich vorher viele Jahre im universitären Bereich gearbeitet habe. Dort gibt es bereits Diversity Audits, ich habe das an meiner Hochschule selbst mit durchgeführt.

 

Da lag der Gedanke nahe: Warum sollte es das nicht auch speziell für den Kunst- und Kulturbereich geben? Bundes- und landesweit gibt es ja auch schon tolle Förderprogramme, die in die Richtung gehen – allen voran „360 Grad“. Was daraus gelernt wurde, was da ausprobiert wurde an Öffnungsprozessen, das könnte man doch einmal auf ein solides und strukturiertes Zertifizierungsverfahren stützen: Eben ein Audit.

Zwar ist das Ganze also ein Pionierprojekt, aber es gibt trotzdem wunderbare Partner*innen, die bereits viel Vorerfahrung einbringen können.

Dr. Ebru Tepecik (Referentin für Diversity in Kunst und Kultur | ZfKT)

Neben zahlreichen anderen Expert*innen hat das ZfKT den Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft mit an Bord geholt. Bettina Jorzik, Sie haben beim Stifterverband die Programmleitung Audit inne. Was motiviert Sie zu dieser Kooperation?

Bettina Jorzik:

Mit dem Diversity Audit „Vielfalt gestalten“ setzen wir seit mehr als zehn Jahren ein Verfahren der Organisationsentwicklung für Hochschulen ein. Damit bieten wir einen Rahmen und Hilfestellung für Reflexionsprozesse über Diversity in der Hochschule – was großartig ist! Aber außerhalb der Wissenschaft fehlt so etwas bisher weitgehend. In der Nachfrage aus Bereichen jenseits der Wissenschaft sehe ich eine Bestätigung, dass Diversität und der Umgang damit eines der großen gesellschaftlichen Zukunftsthemen unserer Zeit sind.

Diversität begegnet uns überall und betrifft jeden. Deshalb halte ich es für entscheidend, dass sich jede und jeder Einzelne, aber vor allem diejenigen Einrichtungen und Organisationen mit Diversität auseinandersetzen, die unsere Gesellschaft prägen.

Dazu gehört, dass man sich fragt: Was bedeutet Diversität für mich und unsere Einrichtung oder Organisation? Wo sind wir in unserem Alltag mit Diversität – oder auch fehlender Diversität – konfrontiert? Wen grenzen wir aus, ohne das zu wollen? Wie können wir individuelle Unterschiede und die damit verbundenen Perspektiven für uns und unser Handeln fruchtbar machen?

Auf all diese Fragen gibt es keine „richtigen“ Antworten. Und die Fragen haben sich auch nicht erledigt, wenn sie einmal beantwortet wurden. Sie stellen sich in jeder Begegnung und jeder Interaktion mit anderen immer wieder neu.

Bettina Jorzik (Programmleitung Audit | Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft)

Warum braucht es so ein Audit für den Kunst- und Kulturbereich – worin wird der Mehrwert für die Kultureinrichtungen liegen?

Dr. Ebru Tepecik:

Klar ist: Zugang zu und Teilhabe an Kunst und Kultur für möglichst breite Teile der Bevölkerung ist eine längst fällige gesellschaftspolitische Anforderung. Aber auch für die Kultureinrichtungen selbst geht es um viel – nämlich um die Frage ihrer Zukunftsfähigkeit. Sie müssen sich auf die Vielfalt der Bevölkerung und den demographischen Wandel einstellen, und zwar mit Blick auf ihr derzeitiges Publikum ebenso wie ihr noch-nicht-Publikum.

Sich auf Vielfalt einstellen, heißt außer beim angesprochenen Publikum auch in den Programmen und im eigenen Personal. Dabei geht es für die Kultureinrichtungen darum, eine Strategie zu erarbeiten, es geht um eine gezielte strukturelle Veränderung. Dafür braucht es langfristige handlungsleitende Programme, die verbindliche Anforderungen stellen, damit die Institutionen sich mehr und dauerhaft öffnen. Punktuelle Einzelprojekte oder kurzfristige Maßnahmen reichen nicht aus. Vielmehr geht es darum, institutionelle Strukturen und Praktiken im Kulturbetrieb zu hinterfragen, diversitätsgerecht zu verändern und die dafür nötigen Ressourcen bereitzustellen. Und genau entlang dieser Fragen gestalten die Mitwirkenden das neue Audit.

Das klingt nach einem langwierigen, aufwändigen Prozess. Macht da überhaupt jemand mit, und wenn ja, warum?

Dr. Ebru Tepecik

Bei uns gehen schon jetzt genug externe Anfragen ein, dass ich glaube, wir werden nicht groß Werbung machen müssen. Zwei Kultureinrichtungen nehmen ja bereits in der Entwicklungsphase teil, das Badische Landesmuseum Karlsruhe und die Staatsoper Stuttgart. Sie haben die einmalige Chance zur Mitgestaltung eines innovativen Auditverfahrens für den Kulturbetrieb und damit eine Pionierfunktion.

Kultureinrichtungen, die dann in der Umsetzungsphase teilnehmen, werden von einer geballten, externen Expertise sowie dem breiten Erfahrungsaustausch mit anderen Einrichtungen profitieren: Eine Chance für Kultureinrichtungen voneinander und miteinander zu lernen. Und zu guter Letzt: die teilnehmenden Kultureinrichtungen werden die ersten zertifizierten Kultureinrichtungen in Deutschland sein. Damit darf man dann schon ein bisschen angeben!

„Für die Kultureinrichtungen selbst geht es um viel – nämlich um ihre Zukunftsfähigkeit.“

Bettina Jorzik, Sie haben bereits zwei Audits für den Stifterverband entwickelt und sind dabei partizipativ vorgegangen, das heißt die Verfahren wurden im Dialog mit Expert*innen entwickelt. Was zeichnet solche partizipativen Entwicklungsprozesse aus?

Bettina Jorzik:

Zweifellos sind partizipative Prozesse aufwändig und zeitintensiv. Manches ließe sich schneller und reibungsloser entwerfen, wenn wir auf Partizipation verzichten würden. Aber ein Audit, wie wir es hier verstehen, soll ja ein Instrument sein, das der Reflexion und der Organisationsentwicklung dient. Dafür ist ein ko-kreativer Prozess auf der Basis von Partizipation unheimlich wichtig.

Durch den partizipativen Entwicklungsprozess werden die Adressat*innen direkt eingebunden, hier die beiden Häuser, die Ebru Tepecik genannt hat. Aus bloßen Empfänger*innen werden sie dadurch zu verantwortlichen Mitgestalter*innen. Das macht etwas mit ihnen: Sie übernehmen „Ownership“ wie wir das nennen, das heißt sie machen das Ganze zu ihrer eigenen Sache. Gleichzeitig steigt die Akzeptanz für das so entwickelte Verfahren in der Community: Es wurde schließlich von Peers erarbeitet, nicht von Außenstehenden. Das halte ich für so wertvoll, dass sich der Aufwand unbedingt lohnt.

Wer ist denn noch alles an der Entwicklung und Gestaltung des Audits beteiligt?

Ebru Tepecik:

Da ist zunächst die kleine Steuerungsgruppe aus ZfKT und Stifterverband, bestehend aus Birte Werner, Bettina Jorzik und mir. Das Entwicklungsteam wird das Audit gemeinsam entwickeln, hier sitzen fachliche und wissenschaftliche Expert*innen sowie Vertreter*innen von großen, staatlich geförderten Kultureinrichtungen, dem Landesmuseum und der Staatsoper. Außerdem konnten wir einen größeren Kreis an Expert*innen gewinnen, die als begleitende „Critical Friends“ phasenweise zu Rate gezogen werden.

Es war uns überall besonders wichtig, möglichst breite Expertise und möglichst vielfältige Perspektiven in den Prozess einzubeziehen, in dem das Audit entsteht. Deshalb sind Vertreter*innen unterschiedlicher Kunstsparten dabei, mit ihrem jeweiligen spezifischen institutionellen Wissen. Außerdem arbeiten wir mit länderübergreifenden Verbänden der Kulturpolitik zusammen, und natürlich mit fachlichen Expert*innen und weiteren Akteur*innen aus Baden-Württemberg und darüber hinaus.

Und was braucht es, damit es gemeinsam gut läuft – so dass ein wirklich partizipativer Entwicklungsprozess in Gang kommt?

Bettina Jorzik:

Aus meiner Sicht sind das drei Dinge: Erstens eine klare Vorstellung vom Ziel und von den Dingen, die so zentral sind, dass sie nicht zur Disposition stehen. Zweitens die Bereitschaft, sich auf jeden Vorschlag erst einmal einzulassen und ihn im Zweifel zumindest auszuprobieren, wenn die Mehrheit das wünscht. Und drittens – und das ist vielleicht das Wichtigste: Die Zuversicht und das Zutrauen in alle, die mitwirken, dass am Ende etwas Gutes herauskommt.

Ebru Tepecik:

Wenn du das so formulierst, Bettina – dann kann ja eigentlich nichts mehr schiefgehen!

Beteiligte

Auf dieser Seite stellen wir Ihnen nach und nach die an der Audit-Entwicklung beteiligten Personen vor: