Autorin: Anna Walz
17 Jahre ist die Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg (ADK) in Ludwigsburg erst alt – und ist damit die jüngste Theaterakademie im deutschsprachigen Raum. Lehre wird an der ADK transdisziplinär verstanden, sie geht etwa enge Verbindungen mit der Filmakademie Baden-Württemberg ein, die auf demselben Campus ihre Gebäude hat. Zu solch einem disziplinübergreifenden Ansatz gehört die Darstellung vieler unterschiedlicher Perspektiven. Darunter auch jene von Menschen mit Behinderungen.
„All together now!“
„All together now!“ – so drückt die ADK ihre Motivation aus, die Akademie in Zukunft zu einer inklusiven Ausbildungsstätte zu entwickeln. So sollen dort auch Studierende mit Behinderung ein künstlerisches Studium absolvieren können. Berührungspunkte der Akademie mit Fragen der Inklusion gab es noch vor zwei Jahren eher wenige. Wunsch und Wille zur Veränderung wurden jedoch immer größer. Mit der Förderung von »Weiterkommen!« wurde ein Impuls geschaffen, der den Stein in Richtung inklusiver Öffnung ins Rollen bringen sollte.
Am Anfang stand die Gründung sogenannter „Access AGs“, in denen neben Mitarbeiter*innen der Hochschule auch externe Expert*innen mit gelebter Behinderungserfahrung dabei sind.
Diese Arbeitsgruppen dienen als planendes Organ für die Organisationsentwicklung hin zu mehr Inklusion.
In regelmäßigen Treffen besprechen sie alle zwei Wochen Maßnahmen zur Barrierefreiheit – in allen Bereichen der Ausbildung der Akademie.
Konrad Wolf ist eine von mehreren Personen, die der Ausbildungsstätte in ihrem Prozess beratend zur Seite stehen. Er und der Geschäftsführer der ADK, Prof. Ludger Engels, erzählen in einem Gespräch von der Tätigkeit der Access-AGs und berichten, wie sie Inklusion in der künstlerischen Ausbildung auch nach Abschluss der Förderphase weiterhin voranbringen möchten.
Konrad Wolf nennt unter den wichtigsten Einsichten, die das »Weiterkommen!«-Team an der ADK gewonnen hat, eine viel größere Sensibilität für die Vielzahl an unterschiedlichen Barrieren.
„Es war jetzt nicht möglich, im Rahmen dieses Programms alle Barrieren abzubauen“, räumt er ein. „Aber was zumindest möglich war, ist ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie unterschiedlich Barrieren eben sind und wie viele Barrieren es gibt – und so ein Gefühl der gemeinsamen Verantwortlichkeit zu schaffen, diese abzubauen.“
Dieser Erfolg sei auch der positiven Resonanz an der Institution zu verdanken, in der alle Beteiligten, seien es Studierende, Lehrende oder andere Mitarbeitende, bei dem Veränderungsprozess mit an Bord seien und diesen voll unterstützen möchten.
Dazu gehören insbesondere auch die Bereitschaft und Offenheit dazu, dass sich die Akademie grundsätzlich und ganzheitlich in ihren Strukturen verändern muss.
Darüber hinaus soll die Verantwortung nicht auf die Studierenden verlagert werden:
Nicht die studierende Person mit Behinderungen soll sich der Institution anpassen, sondern eben die Institution die Rahmenbedingungen an die behinderte studierende Person!
Wichtig sei, das Bewusstsein dafür zu verankern, dass Barrierefreiheit nicht erst im Studium beginne, sondern schon weit vorher, stellt Konrad Wolf fest: „Dass es so wenig behinderte Absolvent*innen an Kunsthochschulen gibt, liegt ja nicht nur an Barrieren im Studium, sondern vor allem auch viel früher. Also: Wie barrierefrei ist die Website, die Informationen zum Studium, die Aufnahmeprüfung?“
Letzteres umfasst zum Beispiel den Auftrag, die Prüfungsgremien mit Personen mit gelebter Erfahrung von Behinderung zu besetzen. Ebenso gilt dies für die Ebene der Mitarbeiter*innen in der Akademie.
Mittlerweile gibt es an der ADK Studierende mit sichtbaren und unsichtbaren Behinderungen. Diesem Meilenstein ging eine Vorbereitungsphase voraus, die die beteiligten Personen zum Teil auch vor Herausforderungen stellte. Ludger Engels spricht hier zum Beispiel von einer sehr kurzen Planungsphase. Die sei relativ schnell in die Phase der Realisierung übergegangen, bis hin zur Aufnahme der einzelnen Studierenden.
Ein solcher Öffnungsprozess sei insgesamt sehr personal- und zeitintensiv.
Außerdem seien hohe Kosten damit verbunden, eine ganze Ausbildungsstätte auf allen Ebenen umzustrukturieren, meint Ludger Engels: „Die große Herausforderung ist mit Sicherheit die architektonische Barrierefreiheit, da dran zu gehen und anzufangen, das umzurüsten.“
Es geht aber voran: „Da sind die ersten Schritte auch schon getan, also dass Kostenvoranschläge vorliegen, Architek-turgutachten und so weiter.“ In Zukunft gehe es nun darum, wie diese Entwicklungen und Erfolge auch nach außen getragen werden können. Entscheidend dabei: Wirklich gezielt die-jenigen zukünftigen Studierenden zu erreichen, die durch die inklusive Öffnung der Akade-mie auch einladen werden sollen.
Nach Abschluss des Förderprogramms resümiert Ludger Engels, dass das Thema Inklusion an vielen Stellen selbstverständlicher geworden und nun auch langfristig in die Struktur der ADK eingeschrieben sei:
„Durch »Weiterkommen!« ist dieser Impuls gesetzt und auch schon so weit entwickelt, dass er wirklich in der Lehre angekommen und in der kompletten Struktur da ist. In der Ausbildung der Studierenden haben wir Veranstaltungen zu theoretischen Fragen von Access, das ist also auch im Lehrplan fest verankert.“
Was heißt das in der Praxis? Beispiele konkreter Veränderungen hin zu barrierefreien Veranstaltungen an der ADK gibt es einige:
Da ist die Audiodeskription zu nennen, die nun in jeglichen Produktionen von allen Beteiligten mitgedacht wird.
Aber schon kleine Maßnahmen wie die Anpassung von Evakuierungsplänen oder die Anschaffung von Sitzkissen entfalten bereits Wirkung.
Für eine Bewerbung bei »Weiterkommen!« hin zu mehr Inklusion empfiehlt Ludger Engels, alles „step by step“ anzugehen. „Eine Bildungseinrichtung wie unsere kann jetzt nicht sagen: So, jetzt sind wir inklusiv, jetzt können wir inklusive Lehre anbieten. Das ist immer wieder von einzelnen Bedürfnissen abhängig, von einzelnen Personen und braucht immer wieder ein Überprüfen aus verschiedenen Perspektiven.“
Grundlage dafür sind erst einmal interne Fortbildungen – und eine wichtige Voraussetzung ist, dass die Leitung aktiv an diesem Prozess beteiligt ist und hinter diesem steht. Förderprogramme wie »Weiterkommen!« können dafür den Ausgangspunkt bilden. Konrad Wolf fordert aber auch, von Anfang an schon im Hinterkopf zu haben, wie der Öffnungsprozess auch ohne Förderung weitergehen kann.
Anderen Institutionen gibt Ludger Engels abschließend mit auf den Weg:
„Da würde ich erstmal sehr viel Mut machen, es wirklich einfach zu tun! Und sich die Menschen zu holen, die die Expertise haben.“
»Weiterkommen!«
Hier geht es zurück zum Überblick über die realisierten »Weiterkommen!«-Vorhaben: