Autorin: Anna Walz
28 historische Gebäude auf 15 Hektar Kulturlandschaft. Mit Kinderspielplatz. Und Hühnerstall. Das Bauernhaus-Museum Allgäu-Oberschwaben Wolfegg im Landkreis Ravensburg liegt idyllisch im Grünen. Mit seinen originalgetreu eingerichteten Bauernhäusern soll das Freilichtmuseum die Kulturgeschichte der Region für die Besucher*innen möglichst detailliert wiedergeben. Verwinkelte Ecken, steile Treppen und unebene Böden gehören damit zum Erscheinungsbild – und das wirft Fragen auf: Wie können bei derartigen baulichen Gegebenheiten zum Beispiel auch Menschen im Rollstuhl das Museumsangebot wahrnehmen?
2021 stellte sich das Museumsteam dieser nicht eben einfach zu lösenden Herausforderung und richtete einen Arbeitskreis Inklusion ein, der ihm auf dem Weg hin zu mehr Teilhabe für Menschen mit Behinderung beratend zur Seite stehen soll. Der Kreis arbeitet bis heute und umfasst Menschen aus dem Blinden- und Sehbehindertenverband, Rollstuhlfahrende sowie Angehörige des Seniorenbeirats.
Seither ist im Museum Einiges passiert. Besonders hervorzuheben ist der Hof Beck, ein Gebäude auf der Anlage, bei dem in einer inklusiven Dauerausstellung das Leben einer Bauernfamilie um 1900 lebendig wird. Hörmuscheln, Gebärdensprachvideos, Broschüren in leichter Sprache und Holzschnittfiguren zum Ertasten bieten hier ein Erlebnis für die Vielfalt an Besucher*innen. Der obere Teil des Hauses kann zwar nicht durch Rampen zugänglich gemacht werden, steht dafür nun aber als Modell mit Guckfenstern in der unteren Etage.
Bei all dem geht es um ein gemeinsames Museumserlebnis für alle Menschen. Das inklusive Angebot berücksichtigt nicht nur die großen Besucher*innen, sondern in Form eines Spielplatzes auch die ganz kleinen.
Die stellvertretende Museumsleitung Eva-Maria Kocher berichtet in einem Gespräch von einem Projekt, dessen Konzeption vom ZfKT im Rahmen von »Weiterkommen!« gefördert und im Sommer 2024 eröffnet wurde.
Ziel des Spielplatzes soll neben der reinen Spielfreude auch die Vermittlung inhaltlicher Themen des Museums sein. Wie haben Kinder früher auf dem Bauernhof gelebt und gespielt? Dieser Frage können die Kinder im Außenbereich auf einem großen Holztraktor mit Heuwagen nachgehen. Drinnen bietet eine vielfältig ausgestattete Spielscheune abwechslungsreiche Aktivitäten. Hier wird der Sprung ins Heu gewagt oder mit Büchsentelefonen telefoniert, während verschiedene Klangspiele auch akustische Erlebnisse bieten.
Auch Kinder im Rollstuhl können ein Teil des Ganzen sein: Eine Rampe quer durch die Scheune mit weiteren Spielelementen in Form von integrierten Wellen oder einzelnen Sichtfenstern macht das möglich. Und eine Räuberhöhle dient als Rückzugsort für Kinder, die von dem Spieltrubel mal eine Pause an einem ruhigeren Ort brauchen.
Kurz nach Fertigstellung des Spielplatzes im Sommer 2024 wurde eine Schulklasse eingeladen, die die Anlage erstmalig testen durfte. Die Rückmeldungen waren fast nur positiver Art, an ein paar kleinen Kritikpunkten bessert das Team noch nach.
„Über allem lag die Begeisterung, dass dieses gemeinsame Spielen tatsächlich möglich ist“, freut sich Eva-Maria Kocher nach Fertigstellung des Projekts.
Die Förderung aus »Weiterkommen!« lieferte dafür nicht nur die finanzielle Grundlage, erläutert sie: „Das war der Anlass, eine neue Zielgruppe zu erschließen und mit einer weiterer Attraktion im Museum dafür zu sorgen, dass auch für Kinder etwas richtig Gutes geboten wird.“
Anspruchsvolle Aufgaben gab es bei dem Projekt durchaus zu lösen, berichtet Eva-Maria Kocher. Da sei zum einen der hohe Termindruck gewesen, den Spielplatz bis zur gesetzten Eröffnung auch fertig zu haben. Hier und da hätte mehr Zeit für Rückfragen und Feedback geholfen, die Geräte noch passgenauer anfertigen zu können. Zum anderen sei auch die Konsensfindung untereinander eine Herausforderung gewesen – die sie jedoch gemeinsam sehr gut meistern konnten.
Entscheidend dabei: Der Wille aller Beteiligten, auch aufeinander zuzugehen.
„Dabei spielte es keine Rolle, ob es der Arbeitskreis Inklusion war, das Museumsteam oder auch die Herstellerfirma des Spielplatzes. Alle Beteiligten waren bereit, sich gegenseitig zuzuhören, das Gesagte zu verinnerlichen und gemeinsam nach einem Konsens und dem für alle besten Ergebnis zu suchen. Das fand ich sehr schön.“
Wie es jetzt mit dem Projekt nach Ende des Förderprogramms weitergehen soll, hätten sie auch schon geplant. Eine sogenannte Saukuhle soll zusätzlich in den Spielplatz integriert werden. „Das wird ein Wasser-Sand-Dreckspiel für Kleinstkinder oder Kinder mit sehr großen Einschränkungen und Vielfacheinschränkungen.“
Daneben möchte das Museumsteam die weiteren Museumsangebote und Workshops ebenfalls noch mehr auf die Bedarfe von Kindern mit Behinderungen anpassen und weiterentwickeln. „Das ist unser Anspruch, tatsächlich diesen Impuls, den wir durch »Weiterkommen!« bekommen haben, in den nächsten Jahren für die Kinder weiterzutragen.“
Zum Abschluss empfiehlt sie anderen Kultureinrichtungen, die eine Bewerbung bei »Weiterkommen!« in Erwägung ziehen:
„Ich würde immer dafür plädieren, einen Arbeitskreis einzurichten, bei dem alle Beteiligten und somit unterschiedliche Sichtweisen an einen Tisch geholt werden.“
»Weiterkommen!«
Hier geht es zurück zum Überblick über die realisierten »Weiterkommen!«-Vorhaben: