Einfach mal machen! Kulturelle Teilhabe in der Bibliothek

„Bewegt was!“ soll in die Lage versetzen, in einer Kultureinrichtung Kinder- und Jugendbeteiligung anzustoßen. Stefanie Schilling von der Stadtbibliothek Stuttgart hat die Weiterbildung mit Hilfe eines ZfKT-Stipendiums durchlaufen. Hier erzählen wir, wie diese Erfahrungen in die Stadtbibliothek hineinwirken: eine Reportage von Eddie van Gemmern.

Impulse

Frische Impulse für die eigene Arbeit, neue Methoden für die Kinder- und Jugendbeteiligung und ein Umdenken davon, was eine kulturelle Institution wie die Bibliothek alles ausmachen kann: Für Stefanie Schilling von der Stuttgarter Stadtbibliothek war die Teilnahme an der Weiterbildung „Bewegt was!“ eine besondere Erfahrung. Möglich gemacht wurde das durch ein Stipendium des Zentrums für Kulturelle Teilhabe (alle Details zur „Bewegt was!“-Förderung finden Sie hier).

Die Präsenz- und Onlinemodule des anderthalbjährigen Programms hat Stefanie als durchweg positiv erlebt. Neben dem fachlichen Input und vielen praxisnahen Methoden zum Selber-Ausprobieren berichtet Stefanie auch begeistert vom Austausch mit den anderen Teilnehmer*innen, die in ganz anderen Bereichen aktiv sind, etwa der politischen Bildung oder der Theaterpädagogik – ein Blick über den eigenen Tellerrand, für den im Arbeitsalltag nicht immer Raum ist, aber der die eigene Perspektive erweitert.

„Ich habe mich jedes Mal richtig auf die Module gefreut. Die Atmosphäre war so offen und wertschätzend, man konnte alles fragen und ganz viel mitnehmen.“

Abstimmen über Anschaffungen

Für ihr Praxisprojekt der Weiterbildung startete Stefanie die erste Medienwahl in der Aktionswoche Demokratie bilden in der Stadtbibliothek. Jugendliche konnten so selbst Medien vorschlagen und demokratisch darüber abstimmen, welche Medien angeschafft werden sollten. Jugendbeteiligung möglich zu machen, bedeutet auch, von den eigenen Erwartungen Abstand zu nehmen und offen zu bleiben für die Ideen und Wünsche von anderen.

Die Ergebnisse der Wahl waren vielfältig und für die Mitarbeiter*innen der Bibliothek manchmal auch überraschend: Romane, die über TikTok bekannt wurden, Graphic Novels, die neuesten Kochbücher von Influencer*innen oder ein Landwirtschaftssimulator. Wären das immer die Medien, die auch sonst angeschafft worden wären? Sicher nicht – aber genau das ist ja die Idee und der Gewinn der Jugendpartizipation.

Wie gut diese Chance zur Mitbestimmung bei den Jugendlichen ankam, wurde Stefanie spätestens klar, als auch nach der Wahl immer weiter Mails eintrudelten mit neuen Buchvorschlägen und Ideen.

Kein Wunder, es fühlt sich eben gut an, selbstwirksam mitzuentscheiden, ernst genommen zu werden und die eigenen Lieblingsbücher auch anderen Jugendlichen zugänglich machen zu können. Besonders schön ist, dass diese Idee der Medienwahl nun auch von anderen Stadtteilbibliotheken übernommen wurde.

Jugendarbeit mobilisiert

Wie die Bibliothek ein Ort für unterschiedliche Kinder und Jugendliche sein und werden kann, ist eine Frage, die Stefanie Schilling schon lange beschäftigt. Sie ist überzeugt davon, dass man dafür manchmal über die räumlichen Grenzen der Bibliothek hinausdenken muss, um auch die Kinder und Jugendlichen zu erreichen, für die ein Besuch in der Bibliothek eben nicht selbstverständlich ist.

So arbeitet die Stadtbibliothek Stuttgart schon seit Jahren auch mit der Mobilen Jugendarbeit zusammen. Denn Methoden der Kinder- und Jugendteilhabe erreichen natürlich nicht automatisch alle, viel zu unterschiedlich sind die Erfahrungen, Interessen und Lebensrealitäten der Jugendlichen.

Es gibt keinen magischen Geheimtrick, wie diese Herausforderung überwunden werden kann. Aber es gibt viele Methoden, um gezielt auf verschiedene Jugendliche zuzugehen und passende Angebote zu machen.

Dranbleiben, Neues ausprobieren!

Für Stefanie war „Bewegt was!“ genau diese Ermutigung dazu, dranzubleiben, immer wieder Neues auszuprobieren: „Wir haben die großartige Möglichkeit mit Formaten zu experimentieren. Das heißt auch: Wenn etwas nicht gut klappt, können wir beim nächsten Mal einfach etwas anderes versuchen.“

„Mein Motto: Einfach mal machen!“

Ausblick

Mit Blick in die Zukunft ist dieses Motto zentral, denn in Stuttgart sollen vier neue Stadtteilbibliotheken entstehen. Stefanie wünscht sich, dass Kinder und Jugendliche hier von Anfang an mehr beteiligt werden. Dafür müsse man manchmal auch die Institution selbst anders denken: „Für Viele ist die Bibliothek ein Ort der Ruhe und Konzentration, und das darf sie natürlich auch sein. Aber sie ist eben auch lebendig, weil sie von ganz unterschiedlichen Menschen genutzt, geprägt und verändert wird.“ Das auch als Chance zu erkennen, ist die Grundlage für Kulturelle Teilhabe, die möglichst vielen Leuten offensteht.

Rückblickend ist für Stefanie das Beste an der Fortbildung, dass sie Methoden und Ideen nicht nur für sich selbst mitgenommen hat, sondern diese auch ins große Bibliotheksteam einbringen konnte. Dort werden sie weitergedacht, ausprobiert und angepasst, sie schaffen neue Möglichkeiten für die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, aber auch für den Austausch im Team selbst.

Denn Teilhabe entsteht nicht allein, sie entsteht gemeinsam und im Prozess.

Im Gespräch

Stefanie Schilling
Stefanie Schilling ist Mitglied in der Direktion der Stadtbibliothek Stuttgart und zuständig für die systemweite Leitung der Stuttgarter Kinder- und Jugendbibliotheken.

Autor*

Eddie van Gemmern
Schreibt, liest und forscht – vor allem zu queeren Perspektiven auf Literatur, Gesellschaft und Medien.